IM858: Beyond Two Souls
Mehr Podcaster, mehr Emotionen! Was David Cage kann, können wir schon lange. Wir laden uns internationale Topstars ein (heute: Uke Bosse von ReLoad) und sonnen uns in ihrem Glanz. In der großen Runde sprechen wir heute über das neue Spiel von Quantic Dream „Beyond – Two Souls“ mit der wunderbaren (<3) Ellen Page und Willem Dafoe.
„Press X to Podcast“
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Ich warne mal vor kleineren Spoilern.
Ich sehe die größten Probleme bei Beyond Two Souls ebenfalls im „Buch“. Aber da ihr wenig darauf eingegangen seid, will ich zuerst etwas zur Technik sagen. Gerade weil die nichtinteraktiven und zum Teil die dynamischen interaktiven Sequenzen so wirklichkeitsnah sind, sind mir unstimmige Details besonders ins Auge gesprungen. Und hier muss ich einen für das Spiel vermutlich uncharmanten und etwas obskuren Vergleich zu Cyberia ziehen, ein Spiel aus der Mitte der 90er Jahre. Dort gab es eine für die damalige Zeit beeindruckende Rendersequenz wie der Spielercharakter einen Gang entlangläuft. Nur hatte Cyberia keine Animation dafür, wie die Figur um die Ecke läuft, weshalb sie beim Erreichen einer Ecke einfach ohne Übergang um 90° gedreht neuplatziert wurde. So schlimm ist es natürlich nicht, aber ich finde auch bei Beyond Two Souls sieht man deutlich, wo eine Übergangsanimation in eine und besonders aus einer Zwischensequenz fehlt. Jodie etwa im Anschluss an eine Sequenz neu im Raum „startet“. Sicherlich nicht das erste Spiel mit diesem Effekt, aber irgendwie das erste Mal seit langem, dass mir das so als Diskrepanz auffällt, daher auch der Vergleich mit Cyberia. Und wie gesagt das ist durchaus der sonst hohen technischen Qualität geschuldet. An ein paar anderen Stellen sieht man die grafischen Tricks, derer sich die Entwickler bedient haben. Das witzigste Beispiel dafür, quasi das Mikrofon am oberen Bildrand, findet sich in der Wüstensequenz im Mittleren Westen. Sobald die Sturmfront hereinrollt, bewegen sich die Büsche stark mit dem Wind. Das funktioniert auch, wenn man sie nur aus den Augenwinkeln beobachtet, während man an ihnen vorbeireitet. Aber wenn man genau hinguckt, sieht man dass die einzelnen Büschel des Busches einfach eine Animation ausführen, die an die Kolbenbewegung einer Dampfmaschine erinnert. Schließlich gibt es manchmal intra-szenische Kontinuitätsfehler. Mir ist etwa in Erinnerung geblieben, dass Jodie in dieser Eishölle von -40°C ohne Handschuhe die Tür nach draußen öffnet, um dann eine Sekunde später (zu ihrem Glück) mit angezogenen Handschuhen draußen zu stehen.
Zur Geschichte: Ich fand Ukes Analyse sehr treffend, das Spiel hat einfach zu viele unterschiedliche Plots und leider gab es niemanden, der rechtzeitig einige davon rausgeschmissen hat. (Das zeigt sich zum Beispiel auch bei der Figurenkonstellation, Jay und Ryan finde ich redundant.) Ich würde aber behaupten, dass Beyond Two Souls zusätzlich zur starken Jodie/Aiden-Geschichte mit jedem einzelnen Genre gut hätte funktionieren können, also sowohl als Investigativmystery, Agententhriller, Sozialdrama, Auf der Flucht-Geschichte oder politische Intrige im Kalten Krieg rund um die Kontrolle paranormaler Fähigkeiten (letzteres fand ich persönlich in dem Mix am interessantesten). Alles zusammen ist zuviel und ohne die asynchrone Erzählweise hätte es in linearer Abfolge vermutlich auch nicht funktioniert. Trotzdem halte ich es für möglich, dass die Erzählweise in erster Linie gewählt wurde, um mehr Material mit Jodie als Kind unterbringen zu können. In einer linearen Geschichte wäre das nämlich sonst das erste Viertel des Spiels gewesen. (Wobei man alternativ natürlich auch mit Flashbacks hätte arbeiten können.) Übrigens glaube ich durchaus, dass die Geschichte bereits geschnitten wurde. Vielleicht deute ich das falsch, aber in der Kartenraumszene mit dem General sehe ich auf der Weltkarte drei Wirbel, wobei einer etwa auf Höhe der Mandschurei liegt und ein weiterer in Russland würde ich sagen. Möglicherweise war der ursprüngliche Plot also noch komplexer und ambitionierter.
Eine letzte Sache, die ich in irgendeinem Review gelesen habe und hinzufügen will. Dort wurde kritisiert, dass Aidens Kräfte zu willkürlich eingeschränkt oder ausgeweitet werden, im Wesentlichen dem aktuellen „Puzzle“ angepasst. Zwar ist es möglich, dass Aidens Fähigkeiten über die Zeit stärker werden und die unterschiedlichen Zeitebenen die wechselnden Fähigkeiten erklären — müsste man darüber nachdenken, ob das hinhauen würde — aber wenn das so ist, wird es zu wenig erklärt. Und wenn nicht, fragt man sich schon, warum Aiden beispielsweise in der Somalia-Sequenz seine später demonstrierte Fähigkeit jemand sehr gezielt ohne äußere Einwirkung zu töten nicht einsetzen konnte. Oder allgemeiner, warum immer nur ein paar Personen empfänglich für eine Körperübernahme sind.
Viel spannender fand ich ja, dass man bei -40° pinkeln kann ohne dass einem der Urin direkt festfriert! Bzw. Dass Jodie in der Kälte wirklich ihre Hose auszieht. Die haben doch Spezial-Klamotten dafür, die das auffangen… Das war unlogisch.
Das mit Aidens Kraft ist ja einfach erklärbar: Hängt von der Willensstärke und der Persönlichkeit des Ziels ab. Aiden sieht halt direkt, wer ’n Opfa is!
Um nur einmal kurz auf deine Aidenüberlegung zurückzukommen André; eben diese Vermutung, dass sich die „Cord“ über die Lebensspanne Jodies, dementsprechend natürlich auch Aidens, verstärk, verlängert, wie auch immer, hatte ich auch während des Spielens. Nur war dies in einigen Fällen einfach nicht der Fall. Ich kann jetzt leider keine konkreten Beispiele anbringen, da es schon eine Weile her ist, seit meiner Spielsession, allerdings habe ich ungefähr ab der Hälfte des Spieles darauf geachtet und wurde mehrmals widerlegt. Wobei letztendlich tut das ja auch nichts wirklich zur Sache.
Was allerdings etwas zur Sache tut, ist der Soundtrack der in der Besprechung und vielerorts leider etwas unbeachtet bleibt. Lorne Balfe hat hier meiner Meinung nach echt verdammt gute Arbeit geleistet. Auch wenn man das Spiel nur einmal spielen kann, den Soundtrack kann man immer wieder hören. Nicht das ich das seitdem täte. Das wäre ja absurd… Wer macht denn sowas?
Aber im Ernst, während des Spieles ist der Soundtrack auch nicht so zentral, vielleicht weil man andere Dinge hat, über die man sich aufregen möchte und die dementsprechend die Aufmerksamkeit einfordern. Aber ich hatte das Gefühl, dass es kein „In die Fresse“-Soundtrack ist, sondern er vielmehr subtil das Geschehen unterstützt und das macht er echt super gut.
Zu guter letzt spricht Uke noch einen wichtigen und guten Punkt an, wenn er sagt, dass man sich teilweise wie ein Improvisationsspieler fühlt, wenn man Jodie durch das Geschehen (vor allem durch die ruhigeren, kleineren Episoden) manövriert. Ich finde die (wenn auch narrativ nutzlose und nicht zielgerichtete) Freiheit, die das Spiel einem in diesen Moment gewährt wunderbar und in diesen Szenen hat man wirklich das Gefühl Jodie ein Stück näher zu kommen. Exemplarisch sehe ich die Betten in Beyond, welche an ein, zwei Stellen einfach nur da sind, genutzt werden können um dort seinen Emotionen freien Lauf lassen zu können, um dann wieder aufzustehen und mit der Hauptgeschichte weiterzuverfahren. Ob man sich auf diese setzen oder legen will, ist dem Spieler selbst überlassen (ich rede nicht von den Einschlafsequenzen).
Tolle Gesprächsrunde, vielen Dank dafür. :)
Wie oben schon geschrieben habt ihr hier den Gedanken eines Films als Grundlage für „Beyond“ weitergesponnen und ihn halt auch als schlechten, in seiner Form nur bedingt funktionierenden Film benannt. Bei den meisten anderen Berichten, die ich zu Beyond mitbekommen habe, war nach der Bezeichnung des „interaktiven Films“ schon Schluss (Pro Meta! o/). Also sieht man auch hier relativ extrem, dass, wie bei guten Filmen, nicht zwingend nur der Regisseur eine durchdachte Vision von dem abzuliefernden Werk haben sollte, sondern auch das Script und dadurch der Drehbuchautor als Grundlage sehr viel wichtiger ist (Wobei man natürlich auch darüber streiten darf, ob die Vision von Cage von einem stringenten Plan durchdrungen ward :hust:).
Ganz interessant fand ich den Aspekt, dass Beyond als Episoden-Titel sogar besser funktionieren könnte. Ist man da in seinen Sehgewohnheiten der letzten 5-6 Jahre etwas anders geprägt worden? Gerade mit den ganzen Zeitsprüngen wäre Beyond eigentlich sogar schlechter dafür gemacht.
Ich bin ja etwas schockiert, dass ihr hellen Köpfe ALLE GESCHLOSSEN der Meinung seid, der kleine Junge im Kriegsgebiet sei der Sohn des zukünftigen Präsidenten. Ihr habt ja so gar nichts mitbekommen an der Stelle. Der Kleine ist der Sohn des Soldaten, den man mit Aiden in Besitz nimmt, um den Präsidenten und seine Berater zu erschiessen.
Oh man Leute. m)
Danke für den Hinweis. Aber ändert ja nicht wirklich die Aussage der Szene, oder?
Manuel: Wenn man die Aussage „Wie unlogisch es ist, der Sohn des Präsidenten könne ein Kindersoldat sein“ nimmt, dann schon.
Beyond Two Souls ist das MYST der Neuzeit.