IM1388: Artikel "Intendierte Störungen"
Lisa ist nicht nur unser Spezialexperte für Episodenspiele, sondern kennt sich auch in Game-Studies bestens aus. Deshalb hat sie für die kulturwissenschaftliche Fachzeitung Die Nadel einen Aufsatz geschrieben. Die Zeitschrift hat sich in ihrer letzten Ausgabe mit dem Thema „Störung“ beschäftigt. Lisa hat dazu den Beitrag „Bug? Feature! Intendierte Störungen in Computerspielen„ beigetragen. Darin beschreibt sie Fehler und Bugs in Videospielen, die gar kein Ärgernis darstellen, sondern die Immersion oder das Spielerlebnis gar noch erhöhen.
Bei Daniel redet Lisa im Podcast darüber, wie ihr die Idee zu dem Artikel kam, wie sie Autorin für Die Nadel wurde und was „Intendierte Störungen“ überhaupt sind.
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dezent off-topic :
die schönste stadt der welt liegt an der ilmenau.
https://www.youtube.com/watch?v=cKSRp9VTjQ8
sry für den spam. aber das musste mal raus :)
Ironie funktioniert im Internet nicht.
Ein paar Anmerkungen:
Auf dieser medienpsychologischen Ebene ist die Verwendung des Flow-Begriffs eigentlich ´n recht veraltetes Konzept innerhalb der Game Studies. Das wurde schon vor einigen Jahren durch den Immersions-Begriff verdrängt, der meist eher das beinhaltet, was man mit „Flow“ ausdrücken will. Aber die Lisa verwendet den ja dann passenderweise auch in ihren Ausführungen.
Im Psycho Mantis-Kampf wird der erste Controller nicht funktionsunfähig und man kann auch mit Controller 1 den Kampf gewinnen. Da sind die Störungen eher – nach Lisas Definition – Glitches, wo sich z.B. Hintergrundobjekte verzerren oder das berühmte Umschalten in den AV-Kanal.
An der Stelle hakt´s für mich aber besonders mit der Hypothese: Warum wird da meine Immersion gesteigert, wo ich doch in dem Moment eher davon ausgehen muss, dass was mit meiner Hardware nicht in Ordnung ist und ich instinktiv vielleicht sogar zur Fernbedienung greife oder gar die Konsole ausschalte? Da fehlt mir noch das Futter für die Theorie.
Um mal weiter auszuholen, würd ich hier eher sagen, dass das Durchbrechen der Vierten Wand eher auf ´ner Fanservice-Ebene die Unterhaltung steigert, der Fanservice aber auch gleichzeitig immer ein Element ist, das sehr anfällig dafür ist, die Immersion zu stören.
Auf der Ebene ist auch das Fez-Beispiel Fanservice – und zwar – nach Lisas Ausführungen – für Fans der älteren Spielegenerationen. Diese Rezipienten grüßt man zwar mit seinem Verweis auf nostalgisch verklärte, romantisierte Game-Breaker-Bugs, doch durch das Verlassen des vorher etablierten Spielrahmens ist das Brechen mit der Immersion der Preis, der für diesen stilistischen Kniff gezahlt werde muss.
Um das abzurunden, würde ich Lisa empfehlen, weder mit dem Begriff Flow, noch mit Immersion in dem Zusammenhang zu perieren, sondern sich primär auf Unterhaltung zu beziehen.
Dann hauts auf alle Fälle in allen Beispielen hin.
Und ohne das Fass zu weit aufzumachen: Kreativ kann der Rezipient im Umgang mit absolut jedem Medium werden. Die Frage ist nur, ob man dabei das Medium verlässt oder wechselt. Spätestens, wenn man´s wechselt, kann man durch allerhand Fan-Produktion wie Fanart, Fanfic, Cosplay usw. meta-interaktiv den Quelltext weiterspinnen.
„An der Stelle hakt´s für mich aber besonders mit der Hypothese: Warum wird da meine Immersion gesteigert, wo ich doch in dem Moment eher davon ausgehen muss, dass was mit meiner Hardware nicht in Ordnung ist und ich instinktiv vielleicht sogar zur Fernbedienung greife oder gar die Konsole ausschalte? Da fehlt mir noch das Futter für die Theorie.“
Meine Hauptüberlegung in der Richtung ist, dass Immersion kein reiner Eskapismus, sondern ein vielschichtigerer Prozess ist. Ein Spieler kann sich seiner medial vermittelten Position durchaus bewusst sein und trotzdem – oder gerade deswegen tiefer in das Medium einsteigen. Am anschaulichsten sieht man es meiner Meinung nach in den Sanity Effects in Eternal Darkness. Da versetzen die intendierten Störungen den Spieler in eine ähnliche Position wie die Avatare: Beide können ihren Sinnen nicht trauen.
In dem Sinne übernehmen die Störungen ein Gameplay-relevanten Aspekt, der Immersion im sinne eines Tiefer-Eintauchens begünstigt. Auch wenn sich das Spiel als Spiel demaskiert. An dieser Stelle würde für mich der Aspekt des Fan Service oder der Unterhaltung denk ich nicht zu weit greifen.
Irgendwie spannend. Aber ich habe immer noch Schwierigkeiten wissenschaftliche Arbeiten und Gaming zusammen zu sehen.
Es sind leider oft ja sehr große Ausnahmen, gerade auch bei diesem Thema. Der Bug ansich ist halt in der Regel doch immer noch ein Bug:D
Super, danke für Deinen Interessanten Beitrag. Ich habe vor Kurzen auch mit Phillip Bojahr gesprochen. Die Diskussion auf der Sommerakademie ging dann auch bisweilen in die Richtung: Funktioniert das nur für ein kunstaffines Publikum oder kann das als Mainstream Strategie von den Game-Designern verwendet werden. Es wurde auch gesagt, dass ein Publikum, das Störungen und Glitches verkraften kann dem Medium seine Reife attestieren. Bei ganz neuen Medien geht das oft noch nicht, bei Spielen scheinbar jetzt schon. Mathias
Es ist auch interessant zu sehen, dass diese Gameplay-Aspekte nicht nur funktionieren, sondern auch für Begeisterung sorgen. Immer, wenn ich mit Leuten über Eternal Darkness, Batman oder ähnliche Spiele gesprochen habe, sind die intendierten Störungen ein positiver Aspekt im Spiel.
Also zumindestens vom psychologischen Konzept her war Flow zwischendrin meines Erachtens nicht richtig erklärt. Der Übergang von Bewegungsabläufen in das prozedurale Gedächtnis ist vielleicht eine Voraussetzung, aber die weitgehend unbewusste („automatische“) Ausführung einer Tätigkeit ist nicht Flow. Im Gegenteil im Zustand des Flow ist man sich dessen, was man gerade tut, besonders intensiv bewusst. Man beobachtet sich selbst dabei, wie man die Tätigkeit mit hoher Präzision ausführt und erlebt gleichzeitig bestimmte affektive Zustände wie etwa Euphorie.