IM1598: Uncharted 4
Manu, Micha und Daniel sprechen endlich über Uncharted 4. Ist Entwickler Naughty Dog mit dem Spiel der krönende Abschluss gelungen, den die PlayStation-Exklusivreihe verdient hat? Und wieviel wurde an der bewährten Formal verändert, nachdem der vierte Teil der erste ist, der nativ für die neue PlayStation 4 entwickelt wurde? Oder hat sich die Formel nach dem Abschluss der Trilogie doch einfach überholt?
Alles Fragen, die wir im Podcast zu Uncharted 4 besprechen.
Die Brunch-Folge mit Martin Teichmann, dem Environment Designer bei Naughty Dog, gibt’s übrigens hier.
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Was für ein tolles Spiel!
Während des Spielens war ich auch total weggeblasen. Aber mit einigen Tagen Abstand und noch mal drüber nachdenken finde ich es doch sehr flach. Auch hat mich mega gestört, dass die Level immer sehr sehr änlich ablaufen. Man wird irgendwo angesetzt, sieht das Ziel in der Ferne und muss erstml ewig klettern, am Ende muss man immer abhauen, zwischendurch ein läppisches Rätsel lösen. Und sinnlos Leute erledigen. Und gerade das Ende zieht sich unfassbar hin, da hatte ich schon gar kein Bock mehr aufs Finale.
Und der Epilog? Naja, sehr erwartbar.
Auch trifft man während der Reise auf überhaupt keine coolen Nebencharaktere aus der Bevölkerung, die einzigen anderen Leute sind in Madagascar auf dem Markt und die sind auch nur Kulissen. Auch wenn das mit dem Apfel und drm Affen ganz charmant war.
Der Gefängniswärter, vom Anfang kommt am ehesten an einen solchen Nebencharakter heran. Den fand ich irgendwie super.
Die Story so insgesamt war auch nett, halt seeehr klischee beladen, aber gut, das ist halt Uncharted.
Grafisch hervorragend, aber wenn man sich an die gewöhnt hat bleibt für mich ein fades Spiel übrig. Und den PS4 Controller empfinde ich als einen unfassbaren Krampf.
Man kann die Kamera im Photomodus übrigens nicht komplett frei bewegen ?. Aber schon recht viel.
Ich bin da voll bei Manu, was die Gegner-Problematik anbelangt, denn tatsächlich ist das auch seit Teil 1 mein größter Störfaktor.
Die Azahl der Gegner und dass man ganze Kleinstädte an Feinden wegbratzt, kann ich im Kontext Videospiel oder Abenteuerschinken verzeihen. Aber wie kann das sein, dass man irgendwelche Jahrtausende-alten Rätsel alter Hochkulturen löst, um ´n Tor zu öffnen und hinter diesem Tor stehen 20 Typen mit ´ner Uzi. Das macht in absolut keinem Kontext Sinn. Oder sind all diese feindlichen Soldaten ähnliche tolle Abenteuer, Kletterer und Rätsler wie Nathan, die halt nur nich so gut im Rumshootern sind?
Aber ansonsten natürlich großartige Reihe, der man all die kleinen Problemchen locker verzeihen kann.
Zwei kurze Korrekturen:
Ich weiß nicht, ob die Erwähnung der Karibik einer geographischen Verwechselung geschuldet war, aber Uncharted 4 spielt in der zweiten Phase im Indischen Ozean. Und das andere: Ein mystisches Element gab es diesmal doch eigentlich nicht.
Und zwei Anmerkungen:
Die Vielseitigkeit der grafischen Elemente erklärt sich auch damit, dass Naughty Dog einen Teil der Asset-Herstellung an Subunternehmer ausgelagert hat. (Ich glaube das kam auch im Interview mit Martin Teichmann zur Sprache.) Wenn man mal in die Credits schaut, werden dort Virtuos, Studio of Secret6, Mindwalk Studios, Original Force, Red Hot CG, Visualdart, Gray Canvas Studios, Scribble Pad Studios, XPEC Art Center, Passion Republic, Adia Entertainment und One Pixel Brush genannt. Man muss natürlich das Geld haben, um die Assets einzukaufen, aber ich vermute hätte das Studio alles selbst produzieren müssen, wäre Uncharted 4 weniger opulent ausgefallen. Denn die Eigenproduktion sollte deutlich teurer sein. Also das ist jetzt natürlich nichts Naughty Dog-Spezifisches. Auf die internationale Arbeitsteilung und vorallem die Ausnutzung des Lohngefälles greifen diese großen Spielprojekte heute alle zurück.
Ich verstehe was Manu meint, Nathan scheint immer den gefährlichsten Weg zu nehmen und erzielt damit höchstens so gute Ergebnisse wie die Konkurrenz. Ich finde aber durchaus, dass sie sich Mühe geben dieses Muster zu motivieren. Zum einen, Nathans Gruppe kann nicht den direkten Pfad wählen und muss deshalb auf gefährlichere ausweichen. Sie können eben nicht in die Auktion spazieren und den Hinweis ersteigern, sondern müssen ihn stehlen. Zum anderen, die Gegner sind zahlenmäßig überlegen, decken somit einfach mehr Gebiet ab, nutzen aber auch eine andere Suchstrategie. Das führt zum dritten, die Gegner folgen ja gar nicht so sehr der historischen Spur, selbst Rafe interessiert der Blick in die Geschichte nur am Rand. Dagegen, wie in der Hintergrundgeschichte herausgestellt wird, haben die Drakebrüder eine sehr intime Beziehung zu diesem Geheimnis, die sich aus ihrer Familiengeschichte ergibt, und auch allgemein ein historisches Interesse. Insofern ist das, glaube ich, selbst wenn es irgendwo mal nicht ganz hinhaut, nicht wesentlich schlechter als in einem Abenteuerfilm motiviert und dann wäre die Frage, ob nicht die Genrekonventionen das Problem sind. Andererseits kann es aber auch sein, dass die Zahl der Stationen, also die Häufigkeit der Wiederholung des Musters hier den Ausschlag gibt. Ich zähle bei Uncharted 4 drei Stationen, wo man sich das Kopf-an-Kopf-Rennnen liefert, bis man am Zielort ist und dort gibt es dann natürlich auch wieder eine größere Zahl von Zwischenstopps mit Hinweisen und Konfrontation. In einem Abenteuerfilm hätte man gar keine Zeit für so viele Stationen und diese häufige Wiederholung im Spiel legt das Muster vielleicht einfach stärker offen.
Stimme André da zu. Gerade im vierten Teil wird geschickt erklärt, warum die Gegner da sind, wo sie sind. Shoreline und Nate haben die gleichen Ziele, aber letzterer ist einfach immer ein Schritt voraus, bis sie zwangsläufig aufeinandertreffen uns es zur Schießerei kommt. Zum Beispiel in dem Abschnitt in Schottland, wo sich die Firma einfach durch die Wände sprengt, während Nate und Sam einen Umweg nehmen. Gemessen an den Möglichkeiten eines Actionspiels halte ich die Erklärungen unter Berücksichtigung von Genrekonvention relativ plausibel.
Ich widme einem anderen Aspekt, noch einen separaten Kommentar: Ihr seid nicht darauf eingegangen, aber ich finde es bemerkenswert, was in Uncharted 4 thematisch verarbeitet wurde. Ein übergeordnetes Thema könnte man selbstzerstörerische Besessenheit nennen. Und hier wird sehr effektiv mit character foils gearbeitet. Das heißt die Figuren sind strukturell vergleichbar, aber variieren auf eine Weise die Kontrast erzeugt. Man kann die sechs Hauptcharaktere gut als foils paaren. Zunächst, fast alle verfolgen Averys Schatz. Wobei schonmal interessant ist, dass sie eigentlich alle etwas anderes als jedenfalls nur den Schatz suchen und in diesem anderen liegt die eigentliche Besessenheit.
Sam will die verlorenen Jahre im Gefängnis mit Bedeutung füllen und durch die Schatzsuche die Beziehung zu seinem Bruder wiederaufnehmen. Rafe, der andere ähnlich bessessene Charakter, gleicht Sam darin, dass auch für ihn die vergangenen 15 Jahre gewisserweise verloren sind. Er ist eigentlich am wenigsten auf den Schatz angewiesen. Er will sich aber selbst beweisen, dass er seine Zeit nicht verschwendet und persönlich etwas erreicht hat, aber gerade in Abgrenzung zu Nathan Drake.
Für Nadine geht es um ein Geschäft. Sie braucht den Schatz, um ihre Firma zu retten und verfolgt dieses Ziel relativ rational. Nadine wird aber auch von Loyalität und Professionalismus angetrieben. Nachdem sie den Auftrag angenommen hat, will sie ihn zu Ende bringen und es wird eine gewisse Besessenheit den Drakebrüdern nicht den Sieg zu überlassen. Nathan ist ihr damit am ähnlichsten aber sozusagen umgekehrt. Er will vorallem seinen Bruder retten, ein Ziel das er vor sich selbst rechtfertigen kann, aber gerät mehr und mehr in den Sog des Schatzes bzw. eigentlich des Abenteuers, das dieser repräsentiert. Nate erliegt also einer Besessenheit, die er eigentlich hinter sich lassen wollte.
Nebenbei thematisch passend ist auch die Geschichte der „Piratenkönige“ im Hintergrund. Es ist sogar auffällig, dass einen Bruch in der Geschichte gibt, der nicht wirklich erklärt wird. Eigentlich ging es ja um den Traum von einer freien Gesellschaft und die Idee der Buße symbolisiert mit dem Motiv des Dismas, dann schwenkt die Erzählung um und zeigt den Weg selbstzerstörerischer Besessenheit auf, den diese Piraten beschritten haben. Das bricht die Erzählung aber bedient eben das Thema. Thematisch passend ist weiterhin die Vergangenheit, die Nate und Sam in ihrer Jugend in diesem Anwesen vorfinden, wo die Hausbesitzerin auch durch ihre Besessenheit von ihrer Familie isoliert wurde.
Schließlich Sully und Elena: Beide im Kontrast zu den anderen vier dem Schatz nicht erlegen. Sully will Nate helfen. Er hätte nichts dagegen, wenn etwas dabei abfällt, aber ist skeptisch, ob die Sache sich lohnt. Mit anderen Worten, ob diese Art von Besessenheit sich lohnen kann. Außerdem weiß Sully mehr von Nathans Vergangenheit, er kennt Sam, versteht also die Beziehung der beiden Brüder. Und schließlich ein weiterer interessanter Aspekt, Sully ist nicht aus dem „Geschäft“ ausgestiegen, nur geht er eben auch nicht diese enormen Risiken ein wie Nate. Und damit haben wir alles zusammen, um den Gegensatz zu Elena zu charakterisieren. Sie kennt den Hintergrund mit Sam gar nicht. Sie kann nicht einschätzen, ob Nate je von dieser Besessenheit lassen wird, ob es überhaupt einen Platz für sie an seiner Seite auf Dauer geben kann. Und sie muss entscheiden, ob sie sich abwenden soll. Aber, und hier sieht man finde ich den respektvollen Umgang mit den Figuren, es ist nicht so, dass Elena einfach das normale Leben repräsentiert und darauf wartet (oder eben nicht), dass Nate sich wieder „einkriegt“. Kleiner Spoiler: Sie erkennt den Mittelweg, den Sully schon gefunden hat, auch wenn sie eine andere Balance wählt. Es gibt jenseits des obsessiven Hinterherjagens nach Geheimnissen und dem lebensgefährlichen Konkurrieren um Schätze eine Sehnsucht nach Abenteuer und die teilt sie mit Nate, wie sie für sich herausfindet.
Man kann die Charaktere auch anders paaren. Außerdem ist das andere große Thema Familie — könnte man ähnlich durchexzerzieren. Und ich weiß natürlich nicht, ob die Figurenstruktur mit character foils angelegt wurde oder sich ergeben hat. Aber dass sich die Interaktion so natürlich anfühlt, das kann man aus solchenn Positionierungen heraus erklären. Dieses Gerüst erzeugt für jede Szene die Motivation der Charaktere. Wenn man das beachtet, schreibt sich die Szene praktisch von selbst. Hier geht es um Standarderzähltechniken aber ähnlich wie die Grafik oder die Interaktionssysteme auf technisch wie künstlerisch hohem Niveau umgesetzt. Gerade auch im Vergleich mit Uncharted 3, wo die Geschichte viel mehr auseinandergefallen ist. Und obwohl man den Einfluss von The Last of Us merkt, ist so ein funktionierendes Ensemble doch eine andere Herausforderung als im Wesentlichen die Interaktion zweier Figuren zu gestalten.
Allesamt äußerst spannende Erkenntnisse, aber sowas würde dann den Rahmen dieses Podcasts doch sprengen. Man müsste ja im Grunde noch mal eine eigene Spoiler-Folge machen, die sich nur den Charakteren und der Story widmet. Ich befürchte aber, das ist nicht nicht das, was die meisten Hörer hören möchten.